Wann haben wir Dummheit eigentlich salonfähig gemacht?

Irgendwann ist es passiert. Und wir haben nicht einmal genau gemerkt, wann.

Ein Typ tanzt halbnackt auf TikTok, redet Blödsinn – und wird gefeiert. Mitarbeitende filmen sich dabei, wie sie absichtlich nichts leisten – und ernten Likes. Teenager präsentieren im Fernsehen stolz ihre Ahnungslosigkeit – und das Format boomt. Männer beleidigen Frauen zur besten Sendezeit – und werden zu Realitystars.

Entscheidungen wirken einengend. Struktur als spießig, Leistung als toxisch und Bildung als elitär. Dazu kommt: Leistungswillige und zufriedene Menschen? Wirken plötzlich verdächtig. Dankbarkeit? Gilt als gestrig. Höflichkeit? Was für Luschis. Durchhaltevermögen? Klingt nach verkapptem Militarismus.

Und währenddessen hat sich der Satz „Ich fühl das halt so“ zum Totschlagargument für jede Diskussion entwickelt. Jeder hat eine Meinung und glaubt, sie müsse unbedingt gehört werden. Wissen? Optional. Reflexion? Luxus. Auffällig ist das neue Klug.

Und plötzlich redet auch jeder über Führung: Der gescheiterte Chef in seinem neuen Königreich als selbsternannter Leadership Coach, der ehemalige Fußballstar als Top-Development & Growth-Berater bis hin zum 21-jährigen Influencer, der sich und seinen Mitarbeitenden so gerne „einfach mal Raum zum Zuhören gibt“ – alle haben etwas beizutragen. Hauptsache es passt in einen Clip mit Filter.

Was wir aber wirklich brauchen: Menschen, die sich trauen, gegen den Mainstream Haltung zu zeigen – nicht mit Lautstärke, sondern mit Rückgrat.
Menschen, die ehrlich über ihre Fehler, Zweifel und Misserfolge sprechen. Die klar machen, dass das Leben keine Einbahn des Glücks ist. Und dass Erfolg oft auf hartem Boden wächst – nicht im Scheinwerferlicht.

Ich finde: Es reicht. Wir brauchen wieder

  • Menschen mit Tiefgang statt Reichweite
  • Führung mit Haltung statt Haltungs-Hashtags
  •  Lust auf Leistung – nicht als Druck, sondern als Würde
  • Und vor allem: Mut zur Unterscheidung

Denn nicht alles, was Klicks bringt, bringt uns weiter. Und nicht alles, was still ist, ist schwach.

Autor: Christian Kandutsch