Ich bin jetzt auch Trainer, Coach und Berater…
Mir scheint, dass die Trainer-/Coach-Bubble gerade wieder so richtig aufgeblasen wird; dass es immer mehr Menschen gibt, die Trainer:in, Life-Coach, Emotions-Coach (sic!) oder Berater:in werden wollen oder vorgeben, es sogar zu sein.
Früher sagte man: „“Wer nichts wird, wird Wirt. Wer gar nichts wird, wird Bahnhofswirt.” Heute wird man stattdessen anscheinend halt Coach, Berater:in oder Trainer:in, weil das kann anscheinend jeder.
Erst unlängst berichtete mir ein Bekannter, dass er seinen – aus meiner Sicht guten- Job gekündigt hat und nun ab sofort auch Coach & Trainer sei. Das Feedback seiner Social Media Kontakte war überwältigend, weil er so mutig war diesen enormen Schritt zu gehen. Auf meine Nachfrage, ob er das als Hobby oder so richtig als Beruf machen will, antwortete er „: Nein, nein – schon richtig!“. Auf meine Zusatzfrage, wie viele Tage er denn vorhabe zu „coachen“, antwortete er: „so zwischen 20 und 40 Tage im Jahr“ – sonst wird es ihm zu stressig. Mir war klar, dass seine berufstätige Frau – die ich sehr schätze – ab sofort das Hobby des Gatten mitfinanzieren werden wird. Sonst geht es sich, wenn man die Grundrechnungsarten halbwegs beherrscht, finanziell einfach nicht aus.
„Ich möchte Führungskräften zu besseren Menschen machen, weil es so viele schlechte, toxische Führungskräfte da draußen gibt“. „Ich will Menschen dabei helfen endlich glücklich zu werden!“
Das Problem, das ich mit diesen Leuten habe, ist nicht ihr Mangel an Zertifizierung oder Qualifikationen. Ich kenne Trainer:innen, die keine (Trainer-) Ausbildung haben, die ihren Job aber dennoch ausgezeichnet machen.
Die Schlimmsten für mich sind jene, die ihr Leben so posten und beschreiben als wäre alles machbar, steuerbar, veränderbar und es gäbe für jedes Problem eine (sofortige) passende Lösung.
Ich weigere mich, eine Vorstellung davon zu verkaufen, dass ich als Trainer alles kann und für jedes Führungsthema eine Lösung habe.
Ich weigere mich zu behaupten, dass ich mit meinen eigenen Mitrabeiter:innen keine Probleme habe und alles immer „easy cheesy“ läuft und oder mein eigenes Leben ideal oder perfekt ist – das wäre unauthentisch und schlicht und einfach nicht die Wahrheit.
Die wirklich guten Trainer:innen die ich kenne und die ihren Lebensunterhalt (!) mit Training, Beratung oder Coaching verdienen, verbringen ihre Tage nicht gechillt am Strand oder sehen ihre Arbeit als Hobby. Sie führen viele zeitintensive Gespräche mit Kunden, stehen mehr als 120 Tage im Jahr im Seminarraum, haben unzählige Abendtermine, und arbeiten konsequent daran Inhalte zu verbessern, didaktisch besser zu werden und sich selbst weiterzuentwickeln. Sie arbeiten nicht vier Stunden pro Woche. Sie arbeiten 60 oder 70 Stunden pro Woche, manchmal sogar mehr. Ihr Leben ist nicht perfekt; sie wissen, dass sie selbst Schwächen und Leistungsgrenzen haben – und trotzdem sind sie großartige Trainer.