Führungstrends kritisch betrachtet: Shared Leadership

Teil 2

In unserer neuen Serie Führungstrends kritisch betrachtet nehmen wir aktuelle Führungstrends unter die Lupe. Ganz ohne sie zu zerreißen, zu entwerten, in den Himmel zu loben oder in Ehrfurcht zu erstarren. Wir sezieren sozusagen nüchtern mit einer feinen Prise Humor.

Teilen ist in…

Die geteilte Führung ist ein Paradigmenwechsel in der traditionellen Hierarchie-basierten Führungsstruktur und besagt, dass Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse auf mehrere Personen oder Teams verteilt werden (sollen).

Spätestens seitdem medial über diesen Trend berichtet wurde, scheint dies bei Führungskräften als mögliche Alternative zu klassischen Führungsmodellen gesehen zu werden.

Führungsaufgaben werden geteilt, der jeweils andere liefert einen Beitrag um bessere Entscheidungen zu treffen, somit werden Verantwortung und in Folge dessen auch Last geteilt, besser handzuhaben und schlussendlich leichter (er)tragbar. Eine potentielle Burn Out Gefahr scheint gebannt.

…wenn man weiss, was man teilt.

Doch Achtung: etwas wird gerne außer Acht gelassen. In der öffentlichen Diskussion werden bewußt oder unbewußt zwei unterschiedliche Ansätze miteinander vermischt.

Einerseits meint Shared Leadership das Prinzip, Führung auf mehrere Teammitglieder – gemeint sind vor allem auch Mitarbeiter:innen – zeitlich befristet zu verteilen. Andererseits wird davon gesprochen, dass sich zwei Führungskräfte den (Führungs-)Job per se teilen („sharen“). Gerade die zweite Form wird in Bezug auf veränderte Arbeitsweisen/Arbeitszeitmodelle, work-live-balance etc. als attraktiv und zukunftsweisend gesehen.

Über dieses Thema wurde vor einiger Zeit im ORF berichtet und positiv konnotiert. Ebenso belegen einschlägige Studien diese zukunftsweisende Arbeitsweise. Eine kleine Anmerkung: fast alle von uns recherchierten Studien meinen den Führungsansatz, Führungsaufgaben auch an ihre Mitarbeiter:innen zu übertragen; Führen in Teilzeit kann funktionieren – geht aber nur wenn Fach- und Führungsaufgaben geteilt werden.

Das meinen wir dazu.

Unsere Meinung dazu: Selbstverständlich kann man sich Führungsaufgaben, wie auch jede andere Aufgabe, teilen. Wenn zwei Führungskräfte ein ähnliches Mindset haben, koordiniert vorgehen, Entscheidungswege klar sind, Verantwortlichkeiten bewusst sind – und keine Krise eintritt.

In Krisensituationen muss die Einheit der Führung gewahrt bleiben, alles andere verringert die Entscheidungsgeschwindigkeit, die in der Krise essentiell ist. Wie sieht es bei unangenehmen, unpopulären Entscheidungen aus? Werden diese konsensual getroffen oder gibt es ein Vetorecht? Solange das Schiff in ruhigen Gewässern fährt, stellt sich diese Frage natürlich nicht… aber im Sturm und bei Gewitter sieht die Sache gleich mal ein wenig anders aus.

Oben erwähnter ORF-Bericht hat uns an der Stelle stutzig gemacht, als davon gesprochen wurde, dass die beiden Führungskräfte 70 (!) Mitarbeiter:innen „führen“.

70? Wirklich? Das halten wir nicht für möglich.

70 Mitarbeiter:innen können verwaltet oder gemanagt, aber niemals geführt werden.

Hier wird Führung mit Verwaltung gleichgesetzt – und das ist definitiv nicht dasselbe.

Ziemlich klare Sache.

Ein letzter Gedanke, den wir Ihnen mit diesem Artikel als Inspiration mitgeben wollen. Haben Sie Kinder? Dann überlegen Sie kurz, zu welchem Elternteil das Kind geht, wenn es am Abend länger wachbleiben möchte. Oder, wenn das Kind älter ist, an wen wendet sich Ihr pubertierender Teenager, wenn es darum geht, wie lange er oder sie auf der Party bleiben darf?

Die Antwort ist sehr offensichtlich, denn einerlei, ob Kleinkind, Jugendlicher oder Mitarbeiter:in – man geht in jedem Fall dorthin, wo man sich die größere Erfolgswahrscheinlichkeit ausrechnet.

Umgangssprachlich ist dieses Phänomen unter „gegeneinander ausspielen“ bekannt, die schönere Umschreibung lautet: zwei Menschen oder Parteien mit widersprüchlichen Ansichten miteinander in einen Konflikt bringen, um diese Situation dann zum eigenen Vorteil zu nutzen. Behalten Sie das im Hinterkopf. Das war aber bitte keine Aufforderung, es auszuprobieren ;-).