Duzt du noch oder siezen Sie (schon wieder)?
Wer siezt…
…ist alt, steif und irgendwie scheintot. Oder zeigt er etwa Respekt und Anstand? Die Wahrheit über das Siezen oder Duzen liegt nicht in der Mitte – sie befindet sich eher seitlich davon.
Das eine IN, das andre OUT
Duzen ist inflationär geworden und Siezen ist out, wo auch immer man hinsieht: in den Sozialen Medien, in der Werbung, im Büro. Die Anrede DU suggeriert Nähe und gesellschaftliche Gleichheit. Der neueste Trend: Bewerber:innen und Kandidat:innen werden bereits in Stellenanzeigen und Einstellungsinterviews geduzt.
Das lässige und persönliche DU in der Arbeitswelt soll nicht nur Hierarchien abschaffen, Synergien freisetzen und alle Mitarbeiter:innen zu mehr Leistung motivieren. Vielmehr soll schon bei der ersten Ansprache alles Förmliche verbannt und durch das Nähe-suggerierende DU ersetzt werden. Das erkauft man sich jedoch teuer, wie Kanning & Dressler, 2018 und Kanning, Kempa & Winkelmann, 2019 in mehreren Studien feststellten.
Unternehmen, die in Stellenanzeigen und Einstellungsinterviews gleich mit dem DU auftreten, werden als weniger leistungsstark empfunden. „Duzende“ Unternehmen werden daher weniger leistungsorientierte Menschen eher als Leistungsorientierte anziehen.
Mehr noch: den Ergebnissen zufolge will die Mehrheit junger Menschen im Einstellungsprozess lieber gesiezt werden (Kanning, Kempa & Winkelmann, 2019) Dabei ist es weniger schlimm, Menschen zu siezen die gerne geduzt werden wollen, als umgekehrt Menschen zu duzen die lieber gesiezt werden möchten.
Fazit: Bleiben Sie im Stellenanzeigen- und Einstellungskontext vorerst lieber beim Sie. Wenn Sie Beziehung und Nähe erfolgreich aufgebaut haben, können Sie immer noch das DU ins Spiel bringen.
Doch sind wir uns durch das DU nicht sofort viel näher?
Kurze klare Antwort: Nein, sind wir nicht. Unterschiede in der sozialen Stellung lassen sich nun einmal nicht bloß durch eine nivellierende Sprache ausbügeln.
Selbst wenn der Chef seinen Mitarbeiter:innen im Großraumbüro ein sanftes DU entgegensäuselt, bleibt er doch immer noch der Chef.