DAS CYNEFIN-FRAMEWORK. Von der Sinnhaftigkeit, Probleme rechtsherum zu drehen

Teil 1

Ursprünglich für die Bereiche Wissensmanagement und Entscheidungsfindung entwickelt, bietet das Cynefin Framework [kə’nɛvɪn] eine leicht anzuwendende und treffsichere Leitlinie für die Organisationsentwicklung. 

Bestrebungen zur Organisationsentwicklung verfolgen primär und langfristig das Ziel, die Effektivität in Unternehmen oder gemeinnützigen Institutionen zu steigern.

Ausgelöst werden die notwendigen Initiativen durch unterschiedliche Gründe. Externe Entwicklungen wie steigender Kostendruck, notwendige Anpassungsfähigkeit oder eine zunehmende Dynamik im Marktumfeld seien hierzu exemplarisch genannt.

Entscheidend dabei ist, den gegenwärtigen Ist-Zustand festzustellen, einen angestrebten Soll-Zustand zu definieren und abschließend Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziel-Zustandes abzuleiten. 

Abb. 1: Smartcard Das Cynefin-Framework

Die Entstehung des Cynefin Framework

Eine erfolgsversprechende und unkonventionelle Leitlinie dazu bildet das Cynefin Framework [kə’nɛvɪn]. Das Wort Cynefin stammt aus dem Walisischen und bedeutet wörtlich übersetzt Lebensraum oder Habitat. Um den Begriff vollumfänglich zu verstehen braucht es noch die Berücksichtigung der heterogenen teils unbewussten Vergangenheiten.

Entwickelt wurde das Cynefin Framework durch Dave Snowden und Mary E. Boone im Jahr 1999 im Zusammenhang mit Wissensmanagement. Die Grundlage dazu bildete das I-Space Modell von Max Boisots sowie die Management-Erfahrungen bei IBM. 

Die fünf Bereiche des Cynefin Framework

Das Modell in seiner heutigen Form besteht aus insgesamt fünf Bereichen. Diese sind chaotisch, komplex, kompliziert, klar und Störung. 

Chaotisch

Im chaotischen Bereich können bleiben Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung verborgen. Derartige Situationen werden bewusst in der Innovation eingegangen. Treten derartige Situationen unbewusst auf, so sind stabilisierende Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen. Daraus leitet sich die Vorgehensweise ab: handeln – wahrnehmen – reagieren Unabhängig davon, ob die Situation bewusst herbeigeführt wurde oder unbewusst eingetreten ist, sie stellt für die Beteiligten jedenfalls Neuland dar. Als Beispiel können Naturkatastrophen oder betrieblich Forschung und Entwicklung genannt werden.

Komplex

Im komplexen Bereich existiert keine Kausalität. Somit sind die Beziehungen zwischen Urasche und Wirkung nur rückblickend erkennbar, während die künftigen Wechselwirkungen nicht vorhergesagt werden können. Daraus leitet sich die Vorgehensweise ab: testen – wahrnehmen – reagieren Es werden also Versuche in vergleichsweise sicherem Rahmen durchgeführt, um Erfahrungen zu sammeln. Klare Vorgaben umzusetzen ist in diesem Bereich nicht sinnvoll, da das Risiko von Fehlern zu hoch ist. Ein gelungener Versuch wird im größeren Stil umgesetzt während ein fehlgeschlagener ad acta gelegt wird. Voraussetzung für einen Versuch ist die Festlegung der weiteren Vorgehensweise sobald die Versuchsergebnisse vorliegen. Als Beispiel kann das A/B Testen im Marketing genannt werden.

Kompliziert

Im komplizierten Bereich existieren Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung. Diese sind jedoch nicht für jedermann offensichtlich. Daraus leitet sich die Vorgehensweise ab: wahrnehmen – analysieren – reagieren Für Situationen im komplizierten Bereich ist entweder die Abstützung auf Experten oder die Anwendung analytischer Methoden erforderlich. Als Beispiel können Projektmanagement oder Vertrieb genannt werden.

Klar

Im klaren Bereich existieren Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung. Diese sind sowohl vorhersagbar als auch reproduzierbar. Daraus leitet sich die Vorgehensweise ab: wahrnehmen – kategorisieren – reagieren Der Verantwortliche nimmt also eine Entwicklung wahr, ordnet die Situation einer bereits existierenden Kategorie zu und reagiert wie für die jeweilige Kategorie vorgesehen. Als Beispiel dient die standardisierte Produktion bei McDonalds.

Störung

Der Bereich Störung steht in der Mitte des Modells und bedeutet, dass unklar ist, welchem der vier oben genannten Bereichen die aktuelle Situation zuzuordnen ist. Üblicherweise bestimmt das historische Umfeld, also wie ein Individuum in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen hat, die jeweilige Handlungspräferenz was letztendlich das große Risiko in sich birgt, eine unpassende Vorgehensweise anzuwenden.

Aus dem Modell ist klar ersichtlich, dass unterschiedliche Vorgehensweisen abhängig vom jeweiligen Bereich durchaus ihre Daseinsberechtigungen haben. Somit ergibt sich die Reflexionsmöglichkeit der eigenen bevorzugten Vorgehensweise.

Anwendbarkeit in der Organisationsentwicklung

Im Kontext der Organisationsentwicklung versteht sich das Cynefin Framework nicht als Handlungsanleitung für zu entwickelnde und zu implementierende Prozesse sondern klar im Sinne einer Landkarte.

Auf dieser können Ist- und Soll-Zustand mit einem gemeinsamen Blick abgebildet und der Fortschritt bzw. Erfolg der abgeleiteten Maßnahmen evaluiert werden.

Wie das gelingen kann, lesen Sie im Teil 2. Soviel vorweg, nicht jede unternehmerische Einheit lässt sich in den Bereich klar entwickeln.